Dr. Wolfgang Zimmerling, Saarbrücken

Prüfungsunfähigkeit und (amts-)ärztliches Attest

I. Problemstellung

Häufigster Grund für die Beantragung der Genehmigung des Rücktritts von der (Zulassung zur) Prüfung ist die tatsächliche oder angebliche Krankheit, die zur mangelnden Prüfungsfähigkeit, d. h. zur Prüfungsunfähigkeit führen kann oder geführt hat (vgl. z. B. Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 4 ÄAppO). Nach der Rechtsprechung muss der Prüfling den Rücktritt wegen Prüfungsunfähigkeit unverzüglich erklären; die unverzügliche Geltendmachung des Rücktrittsgrundes ergibt sich aus der Mitwirkungslast des Prüflings im Prüfungsverfahren.1

Der Prüfling muss die Prüfungsunfähigkeit darlegen und ggfls. beweisen. Die Prüfungsordnungen sehen üblicherweise vor, dass die Prüfungsunfähigkeit durch Vorlage eines ärztlichen Attestes nachgewiesen wird. In manchen Prüfungsordnungen ist darüber hinaus vorgesehen, dass das Prüfungsamt die Vorlage eines amtsärztlichen Attestes verlangen kann. Dies gilt nach der Rechtsprechung auch in den Fällen, in denen die Prüfungsordnung nicht die Vorlage eines amtsärztlichen Attestes vorsieht, jedoch die Prüfungsbehörde im konkreten Fall berechtigten Anlass hat, an der Richtigkeit des vorgelegten privatärztlichen Attestes zu zweifeln.2 Hierbei vertritt die Rechtsprechung die Auffassung, dass der Prüfling zunächst ein privatärztliches Attest einholen muss, das eine dezidierte Diagnose (konkrete Beschreibung der gesundheitlichen Beeinträchtigung) beinhaltet, dass alsdann dieses privatärztliche Attest dem Amtsarzt zur Prüfung vorzulegen ist, dass es weiterhin allein Aufgabe des Prüflings ist, der Prüfungsbehörde das substantiierte ärztliche und amtsärztliche Attest vorzulegen und dass letztendlich die Prüfungsbehörde aufgrund der vorgelegten Atteste über die Prüfungsunfähigkeit zu entscheiden hat.3

Nach der Rechtsprechung ist es nicht Aufgabe des (Amts-)Arztes, die Prüfungsunfähigkeit festzustellen. Die Prüfungsunfähigkeit ist ein Rechtsbegriff. Ihr Vorliegen ist daher eine Rechtsfrage, die zunächst die Prüfungsbehörde und - im Streitfall - das Gericht anhand der vom ärztlichen Sachverständigen ihm zugänglich zu machenden Befunde in eigener Verantwortung zu beantworten hat.4 Allerdings kann sich der Prüfling grundsätzlich auf die ihm amtsärztlich bescheinigte Prüfungsunfähigkeit verlassen.5 Zum Vorliegen einer Prüfungsunfähigkeit gibt es eine reichhaltige Judikatur,6 wobei die Entscheidung über die Genehmigung des Rücktrittes wegen krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit nicht im Ermessen einer Prüfungsbehörde steht.7

Die Rechtsprechung hat keine Probleme damit, vom Prüfling die Vorlage eines (amts-)
ärztlichen Attestes mit Diagnose zu verlangen;8 hierbei ist die Aufforderung des Prüfungsamtes, einen qualifizierten Krankheitsnachweis (mit Diagnose) beizubringen, keine isoliert angreifbare Verwaltungsentscheidung.9 Lediglich gelegentlich diskutieren Rechtsprechung und Literatur das Problem, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die der Arzt dem Arbeitnehmer ausstellt, keine Diagnose der Krankheit des Arbeitnehmers enthält,10 hingegen die Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung, die der Arzt dem Prüfling ausstellt, eine Diagnose enthalten muss. Diese Differenzierung wird damit gerechtfertigt, dass über die Arbeitsunfähigkeit der Arzt und über die Prüfungsunfähigkeit die Prüfungsbehörde zu entscheiden habe.11 Der Arzt könne im übrigen durch den medizinischen Krankheitsbegriff bei der Feststellung der Prüfungsunfähigkeit fehlgeleitet werden.12 Neuerdings wird in der Literatur der Rechtsprechung ein Wert- und Argumentationswiderspruch vorgeworfen. So wird die Auffassung vertreten, dass die Bekanntgabe der Diagnose durch den Arzt einen Verstoß gegen § 203 StGB darstellt und es wird die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass die Staatsanwaltschaften gegen Prüfungsämter wegen Anstiftung zum Geheimnisverrat ermitteln werden.13

Der Rechtsprechung nicht bekannt oder von der Rechtsprechung ignoriert wird der Umstand, dass offenkundig zahlreiche Ärzte mit Unterstützung der zuständigen Ärztekammer sich weigern, auf dem ärztlichen Attest über die Prüfungsunfähigkeit eine Diagnose anzubringen. Diese Weigerung von Ärzten (z. B. im Raum Lüneburg und im Raum Halle) hat etliche Prüfungsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland veranlasst, auf die Vorlage eines entsprechenden (amts-)ärztlichen Attestes zu verzichten. Diese Prüfungsbehörden sagen sich zu Recht, dass man vom Prüfling nicht die Vorlage eines ärztlichen Attestes mit Diagnose verlangen kann, wenn der behandelnde Arzt sich standhaft weigert, eine derartige Bescheinigung auszustellen.14 Ob diese Weigerung von Ärzten, Prüfungsunfähigkeitsbescheinigungen mit Diagnose auszustellen, gerechtfertigt ist, wird nachstehend zu erörtern sein.15

II. Die ärztliche Schweigepflicht in vergleichbaren Fällen

1. Grundlagen der ärztlichen Schweigepflicht

Die ärztliche Schweigepflicht ergibt sich aus § 203 StGB. Als geschütztes Rechtsgut i. S. d. § 203 StGB wird nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Lehre die Geheim- und Individualsphäre des einzelnen angesehen; Angriffsobjekt ist das bewahrte Geheimnis.16 Die Strafdrohung des § 203 StGB dient der Verwirklichung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutzes der Persönlichkeit. Nur so kann zwischen dem Patienten und dem Arzt jenes Vertrauensverhältnis entstehen, das zu den Voraussetzungen ärztlichen Wirkens zählt, weil es die Chance der Heilung vergrößert und damit im Ganzen gesehen der Aufrechterhaltung einer leistungsfähigen Gesundheitsfürsorge.17 Es erscheint zweifelhaft, ob die ärztliche Schweigepflicht dadurch beiseite geschoben werden kann, dass eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht konstruiert wird, indem dem Prüfling aufgegeben wird, ein ärztliches Attest mit Diagnose dem Prüfungsamt vorzulegen.18 Auch für den Amtsarzt kann insoweit nichts anderes gelten.19

2. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat nach der Rechtsprechung des BAG einen hohen Beweiswert.20 Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthält keine Diagnose des Arztes.21 Bloßes Bestreiten mit Nichtwissen des Arbeitgebers reicht nicht aus, um den Arbeitnehmer zu zwingen, die Diagnose des Arztes zu offenbaren und dessen Zeugenvernehmung zu ermöglichen.22 Der Schutz des Arbeitgebers vor missbräuchlicher Inanspruchnahme soll sich nach der Rechtsprechung des BAG zum einen daraus ergeben, dass der Arbeitgeber bei zweifelnder Arbeitsunfähigkeit verlangen kann, dass die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt (§ 275 Abs. 1 a Satz 2 SGB V).23 Weiterhin kann sich der Arbeitgeber im Prozess gegen den Anspruch auf Entgeltfortzahlung wehren, indem er seinerseits Tatsachen vorträgt, die zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit Anlass geben (sogenannte Indizrechtsprechung).24

Festzuhalten ist insoweit, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes ohne Diagnose ausreichend und der Arbeitgeber in aller Regel hieran gebunden ist. Wenn ein Arzt in der Lage ist, die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers zu beurteilen, wobei er aus eigener Kenntnis in der Regel nicht einmal den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers kennt,25 so muss ein Arzt erst recht in der Lage sein, die Prüfungsunfähigkeit eines Prüflings zu beurteilen, da Prüfungen im Prinzip alle gleich sind.26 Weshalb die Rechtsprechung und Literatur dem Arzt eine entsprechende Kenntnis im Hinblick auf die Prüfungsunfähigkeit abspricht, ist schlichtweg nicht nachvollziehbar.27 Wenn man im übrigen im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit dem Arzt (weitgehend) vertraut, ist nicht ersichtlich, weshalb beim Ausstellen einer Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung Misstrauen angebracht sein soll.28 Man kann - rechtspolitisch - die Auffassung vertreten, dass Ärzte zu schnell eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und auch eine Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen. Alsdann mag man die gesetzlichen Bestimmungen ändern. Solange dies jedoch nicht der Fall ist, gibt es keinen sachlichen Grund, ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen anders zu behandeln als ärztliche Prüfungsunfähigkeitsbescheinigungen.

3. Die vorübergehende Dienstunfähigkeit des Beamten

Es gibt eine reichhaltige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, wonach ein amtsärztliches Attest gegenüber einem privatärztlichen Attest vorrangig sei;29 insoweit wird auf die Neutralität des amtsärztlichen Attestes abgehoben. Nach den beamtenrechtlichen Bestimmungen ist der Beamte verpflichtet, die Erkrankung und ihre voraussichtliche Dauer - zum Teil spätestens am folgenden Tag, zum Teil unverzüglich - anzuzeigen.30 Grundsätzliche genügt - zunächst - die Vorlage eines privatärztlichen Attestes; eine Diagnose braucht das privatärztliche Attest nicht zu enthalten. Nach den einschlägigen Verwaltungsvorschriften ist der Beamte verpflichtet, sich auf Anordnung des Dienstvorgesetzten von einem Amtsarzt, beamteten Arzt oder Vertrauensarzt untersuchen zu lassen.31 Dieser bestätigt gegenüber dem Dienstherrn nur die Dienstfähigkeit oder die Dienstunfähigkeit. Zum konkreten Gesundheitszustand des Beamten äußert sich dieser Arzt nicht. Während bei der Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen die Ausstellung von Bescheinigungen und die Erstellung von Berichten des behandelnden Arztes in § 73 Abs. 2 Ziff. 9 SGB V ausdrücklich geregelt ist und insoweit eine gesetzliche Verpflichtung der Vertragsärzte besteht, benötigt der den Beamten behandelnde Arzt eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht, damit er gegenüber dem Amtsarzt die erforderlichen Auskünfte erteilen darf.32

In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass die vollständige Information des Prüfungsamtes über die Art der Erkrankung und die Letztentscheidung des Prüfungsamtes deswegen erforderlich sei, weil im Prüfungsverfahren Lebenschancen verteilt" werden.33 Durch die Begründung des Prüfungsrechtsverhältnisses mögen zwar Obliegenheitspflichten des Prüflings und Fürsorge- bzw. Hinweispflichten der Prüfungsbehörde begründet werden;34 offenkundig kann man aber davon ausgehen, dass die Bindung zwischen Beamten und Dienstherrn aufgrund des bestehenden Beamtenverhältnisses wesentlich intensiver ist. Nichtsdestotrotz erfährt der Dienstherr die Diagnose des den Beamten behandelnden Arztes sowie die Überprüfung durch den Amtsarzt nicht. Der Dienstherr erfährt lediglich, ob der Beamte dienstfähig oder dienstunfähig ist. Ein Attest über die Dienstunfähigkeit eines Beamten ist ebenso wie ein Attest über die Prüfungsunfähigkeit eines Prüflings ein Gesundheitszeugnis i. S. d. § 278 StGB. Derjenige, der ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde ausstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.35 Von daher ist nicht ersichtlich, weshalb im Gegensatz zu einem Attest über die Dienstunfähigkeit eines Beamten ein Attest über die Prüfungsunfähigkeit eines Prüflings die ärztliche Diagnose enthalten muss.

4. Kostentragung und Krankenhausbehandlung

In den Bundesländern ist die Überprüfung der Art, Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung in einem Vertrag zwischen der betreffenden Krankenhausgesellschaft und den Krankenkassen nach § 112 Abs. 1 SGB V und § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V abschließend geregelt. Eine Rechtsgrundlage für die Anforderung von Patientendaten besteht lediglich gem. §§ 275 ff. SGB V und § 17 a Abs. 2 KGH für die Medizinischen Dienste der Krankenkassen. Unzulässig ist hiernach, Forderung einiger Krankenkassen, wonach die Herausgabe von Krankenunterlagen von den Krankenhäusern an die von den Krankenkassen beauftragten Beratungsärzte" zu erfolgen hat, damit diese Beratungsärzte" über die Notwendigkeit der (weiteren) stationären Behandlung entscheiden können.36 Soweit eine Krankenkasse - im Gegensatz zum Krankenhaus - der Auffassung ist, dass eine stationäre Behandlung nicht erforderlich war, ist sie darauf angewiesen, den Medizinischen Dienst der Krankenkassen gem. §§ 275 ff. SGB V einzuschalten.37

Wenn somit die Krankenkassen, die die stationäre Behandlung letztendlich bezahlen müssen, kein Anrecht darauf haben, die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung durch eigene Beratungsärzte" überprüfen zu lassen, wenn vielmehr insoweit ausschließlich es auf das Votum des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen gem. §§ 275 ff. SGB V ankommt, ist nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage die Prüfungsämter von dem den Prüfling behandelnden Arzt die Vorlage eines ärztlichen Attestes nebst Diagnose verlangen. Aus dem Umstand, dass gem. § 73 Abs. 2 Ziff. 9 SGB V ausdrücklich normiert ist, dass die Ausstellung von Bescheinigungen und Erstellen von Berichten für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen gem. §§ 275 SGB V zur vertragsärztlichen Versorgung der Ärzte gehört und dass gem. § 275 SGB V bei Streitigkeiten zwischen einem Klinikum und der Krankenkasse die Notwendigkeit der ärztlichen Versorgung ausschließlich durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse entschieden wird, ergibt sich zwangsläufig, dass ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung es unzulässig ist, das Letztentscheidungsrecht über Fragen der Gesundheit eines Prüflings auf die Prüfungsbehörde zu übertragen, wobei behandelnder Arzt und Amtsarzt ihre Diagnose offen legen müssen. Aus § 275 SGB V ergibt sich vielmehr eine umfassende Schweigepflicht des Arztes, (insbesondere gegenüber Nichtmedizinern).38

Vorliegend ist zu bedenken, dass Krankenhausärzte für die (weitere) klinische Behandlung plädiert haben und dass letztendlich die Ärzte des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen über die weitere Kostentragung durch die Krankenkassen entscheiden. Den Beratungsärzten der Krankenkassen wird eine Einsichtnahme oder Begutachtung der Krankenhausunterlagen verweigert. Soweit es indes um eine Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung geht, muss der behandelnde Arzt das ärztliche Attest mit einer Diagnose versehen, der Amtsarzt muss - offen - die Prüfungsunfähigkeit bejahen oder verneinen und letztendlich entscheidet darüber eine Verwaltungsbehörde, bei der in aller Regel keine Ärzte oder ärztlich vorgebildete Personen tätig sind. Dies muss gerade im Hinblick auf die Strafbestimmung des § 203 StGB bedenklich erscheinen. Selbst der Umstand des Arztbesuches unterfällt nach h. M. dem Geheimhaltungsschutz. Von daher kann man ein legitimes Interesse eines Dritten (einer anderen Behörde) an der Diagnose des Arztes kaum bejahen.39

Schließlich ist zu beachten, dass der Gesetzgeber eine Einschränkung der Übermittlungsbefugnis bei besonders schutzwürdigen Sozialdaten in § 76 SGB X normiert hat. Hierzu gehören auch Sozialdaten, die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen.40 Das BSG hat klargestellt, dass die ärztliche Schweigepflicht (nur) die unbefugte Offenbarung von Patientendaten verbietet. Dem Gesetz (damals §§ 378 ff. RVO) sei jedoch die Befugnis des Arztes zu entnehmen, Patientendaten innerhalb des kassenärztlichen Versorgungssystems insoweit zu offenbaren, als dies für Leistungserbringung erforderlich ist (Kassenärztliche Bundesvereinigung).41 Von den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen auf dem Gebiet des Prüfungsrechtes ist nichts bekannt.

III. Die Reichweite des § 203 StGB

Tathandlung i. d. S. § 203 Abs. 1 StGB ist das unbefugte Offenbaren eines fremden Geheimnisses. Eine Befugnis zur Offenbarung ist gegeben, wenn der sonst Schweigepflichtige aufgrund besonderer Gesetze zur Offenbarung verpflichtet oder berechtigt ist.42 Vorliegend ist eine derartige gesetzliche Regelung für die Form der Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung nicht ersichtlich. Auch ohne gesetzliche Normierung fordert die Rechtsprechung ein dezidiertes ärztliches sowie amtsärztliches Attest mit Diagnose.43 Die rechtliche Problematik im Hinblick auf die Strafbestimmung des § 203 StGB wird nicht problematisiert.

Rechtsprechung und Literatur gehen offenkundig davon aus, dass es Aufgabe des Prüflings sei, seine Prüfungsunfähigkeit nachzuweisen. Das ärztliche bzw. amtsärztliche Zeugnis ist lediglich die gebotene Form des Nachweises der Verhinderung.44 Da der Prüfling das ärztliche bzw. amtsärztliche Attest mit Diagnose dem Prüfungsamt vorlegt, hat der Prüfling - zumindest konkludent - den ihn behandelnden Arzt sowie den Amtsarzt von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden.45

Der herrschenden Lehre in Rechtsprechung und Literatur ist zunächst einmal entgegenzuhalten, dass das Funktionieren des öffentlichen Gesundheitswesens gefährdet ist, wenn man leichtfertig mit einer (mutmaßlichen) Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht arbeitet. Darüber hinaus ist es äußerst fraglich, ob man von einer freiwilligen Entscheidung des Prüflings im Hinblick auf die Entbindung der Ärzte von ihrer Schweigepflicht ausgehen kann, wenn der Prüfling gezwungenermaßen dem Prüfungsamt eine spezifizierte Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung mit konkreter Beschreibung der gesundheitlichen Beeinträchtigung vorlegen muss.46 Selbst wenn man entgegen den hier geäußerten Zweifeln die Auffassung vertritt, dass eine konkludent erteilte Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zu bejahen ist, stellt sich die weitergehende Frage, ob der den Prüfling behandelnde Arzt verpflichtet ist, gegenüber dem Prüfungsamt eine Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung mit Diagnose des Gesundheitszustandes auszustellen.

Der den Prüfling behandelnde Arzt könnte insoweit geltend machen, dass die Offenbarung des Krankheitszustandes nach außen die Therapie gefährdet (insbesondere bei einer Erkrankung auf dem Gebiet der Neurologie oder Psychiatrie), weiterhin könnte der Arzt die Auffassung vertreten, dass der Prüfling zur Abgabe der Schweigepflichtentbindungserklärung genötigt worden sei und dass deshalb diese Erklärung unwirksam sei. Auf jeden Fall kann sich unter diesen Umständen ein Arzt berechtigterweise weigern, eine spezifizierte Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung mit Diagnose des Gesundheitszustandes des Prüflings aufzustellen. Sofern ein Arzt sich im Hinblick auf eine fehlende gesetzliche Regelung und im Hinblick auf die Strafbestimmungen des § 203 Abs. 1 Ziff. 1 StGB weigert, eine spezifizierte Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung auszustellen, verlangt das Prüfungsamt vom Prüfling etwas Unmögliches. In einem derartigen Fall wird man die Auffassung vertreten müssen, dass das Prüfungsamt lediglich eine Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung (ohne weitere Angabe zum Gesundheitszustand) verlangen darf.

Diskutabel ist allenfalls, ob bei einem begründeten Verdacht des Missbrauchs das Prüfungsamt eine amtsärztliche Untersuchung anordnen darf. Alsdann erfolgt eine Untersuchung durch den Amtsarzt und der Amtsarzt steht insoweit im Lager" des Prüfungsamtes. Mit Hilfe des Amtsarztes soll eine mögliche privatärztliche Gefälligkeitsbescheinigung widerlegt werden. Alsdann sind jedoch Fehler des Amtsarztes dem Prüfungsamt anzulasten und nicht - wie nach der bisherigen Rechtsprechung - dem Prüfling.47 Empfehlenswert ist jedoch auch insoweit eine eindeutige gesetzliche Regelung. Nur mit einer gesetzlichen Regelung kann der Forderung des BVerfG nach dem allgemeinen Persönlichkeitsschutz gem. Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG entsprochen werden (siehe sogenanntes Volkszählungs-Urteil).48

 


Fußnoten:

1 BVerwG, Urt. v. 13.05.1968 - 6 C 12.98, NVwZ 1999, 188 = DVBl. 1998, 1341 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 388; OVG Münster, Urt. v. 23.02.1993 - 15 A 1163/91, NWVBl. 1993, 293; OVG Koblenz, Urt. v. 10.10.1997 - 2 A 13324/96, EzB GG Art. 12 Prüfungsrecht Nr. 82; ausführlich hierzu Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 2. Aufl. 2001, Rz. 309 ff.

2 BVerwG, Beschl. v. 10.04.1990 - 7 B 48.90, NVwZ-RR 1990, 481 = DVBl. 1990, 939 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 275; OVG Lüneburg, Urt. v. 15.09.1998 - 10 L 3178/96, KMK-HSchR/NF 21 C.1 Nr. 30; OVG Münster, Urt. v. 03.07.1998 - 22 A 2973/98, NWVBl. 1999, 23 = KMK-HSchR/NF 21 C.1 Nr. 28; hingegen ist das Verlangen eines Attestes der Universitätsklinik durch die Prüfungsbehörde unzulässig, siehe VGH München, Urt. v. 01.04.1992 - 7 B 91.3037, NVwZ-RR 1992, 555 = BayVBl. 1993, 149.

3 Siehe hierzu z. B. OVG Lüneburg, Urt. v. 15.09.1998 - 10 L 3178/96, KMK-HSchR/NF 21 C.1 Nr. 30; VG Minden, GB v. 25.01.2000 - 2 K 3874/99, NWVBl. 2000, 232 sowie VG Saarlouis, Urt. v. 21.05.2001 - 1 K 7/99 - (n. v.). Das (amts-)ärztliche Attest ist lediglich die gebotene Form des Nachweises der Verhinderung, so z. B. BVerwG, Beschl. v. 06.08.1996 - 6 B 17.96, NVwZ-RR 1997, 103 = DVBl. 1996, 1379 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 371.

4 BVerwG, Beschl. v. 14.06.1983 - 7 B 107.82, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 176; Beschl. v. 06.08.1996 - 6 B 17.96, NVwZ-RR 1997, 103 = DVBl. 1996, 1379 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 371; VG Minden, GB v. 25.01.2000 - 2 K 3874/99, NWVBl. 2000, 232; Seebass, NVwZ 1985, 524; Stump, MedR 1993, 261 ff..

5 BVerwG, Beschl. v. 22.06.1993 - 6 B 9.93, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 316.

6 Ausführliche Nachweise bei Zimmerling/Brehm (Fn. 1), Rz. 321 ff..

7 VGH Kassel, Beschl. v. 10.07.1989 - 6 TP 1542/89, juris.

8 Siehe z. B. VGH München, Urt. v. 29.01.1990 - Nr. 3 B 89.795 - (n. v.), bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 10.04.1990 - 7 B 48.90, NVwZ-RR 1990, 481.

9 BVerwG, Beschl. v. 27.08.1992 - 6 B 33.92, NVwZ-RR 1993, 252 = DVBl. 1993, 51 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 301. Siehe zum notwendigen Inhalt einer Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2, 3. Aufl. 1994, Rz. 162.

10 So ausdrücklich die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG; siehe hierzu Vossen, in: Kasseler Handbuch des Arbeitsrechtes, 1997, Ziff. 2.2 Rz. 206.

11 BVerwG, Beschl. v. 14.03.1989 - 7 B 39.89, NVwZ-RR 1989, 478 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 260; Stump, MedR 1993, 261 ff., 262; a. A. Rieger, DMW 1982, 1736, 1737.

12 Haas, VBlBW 1985, 161, 166.

13 Kühne, JA 1999, 523 ff..

14 Dass es Ausnahmen von der Vorlage eines amtsärztlichen Attestes geben kann, ist in der Rechtsprechung anerkannt. Dies wurde beispielsweise bejaht bei einem nachgewiesenen Krankenhausaufenthalt, siehe OVG Münster, Urt. v. 18.07.1996 - 22 A 5464/95 - (n. v.).

15 Soweit ersichtlich hat bislang lediglich der (damalige) Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen in einem Schreiben vom 08.01.1986 darauf hingewiesen, dass trotz der Anforderung durch den Kandidaten der attestierende Arzt zur Nennung der Diagnose grundsätzlich nicht berechtigt sei; zitiert nach Borchert, RDV 1990, 223, 226 Fn. 28.

16 Siehe hierzu LK-Jähnke, StGB, 10. Aufl. 1989, § 203 Rz. 14 m. w. N. in Fn. 23; Schlund, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrecht, 2. Aufl. 1999, § 69 Rz. 15 ff..

17 So ausdrücklich BVerfG, Beschl. v. 08.03.1972 - 2 BvR 28/71, BVerfGE 32, 373 = NJW 1972, 1123; ausführlich hierzu m. w. N. Brötel, NJW 1998, 3387 ff., 3388.

18 Zweifelnd insoweit Kühne, JA 1999, 523 ff..

19 Schlund (Fn. 16), § 74 Rz. 1 ff..

20 BAG, Urt. v. 11.08.1976 - 5 AZR 422/75, BAGE 28, 144 = NJW 1977, 350; Urt. v. 01.10.1997 - 5 AZR 726/96, BAGE 86, 357 = NZA 1988, 369; ausführlich zu dieser Rechtsprechung Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 9. Aufl. 2000, § 98 Rz. 142 ff.; kritisch zu dieser Rechtsprechung Weth, in: Schmidt (Hrsg.), Arbeitsrecht und Arbeitsgerichtsbarkeit - Festschrift zum 50-jährigen Bestehen der Arbeitsgerichtsbarkeit in Rheinland-Pfalz, 1999, 145 ff..

21 So ausdrücklich die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG; siehe hierzu Vossen (Fn. 10) Rz. 206.

22 LAG Köln, Urt. v. 16.10.1990 - 10 (9) Sa 480/90, LAGE § 616 BGB Nr. 6.

23 Ausführlich hierzu Vossen (Fn. 10), Rz. 220 ff.;Dalichau/Schiwy, Loseblattkommentar, § 275 SGB V, Anm. II 1.

24 Ausführlich hierzu Schaub (Fn. 20), Rz. 143 ff; Vossen (Fn. 10), Rz. 2166 sowie Weth (Fn. 20), S. 147 ff..

25 Hierauf verweisen zutreffend Dörner, in: Erfurter Kommentar, 2. Aufl. 2001, § 5 EFZG, Rz. 36 sowie Weth (Fn. 20) S. 149.

26 So besteht das Phänomen Prüfungsangst" bei allen Prüfungen; gleiches gilt für die Examenspsychose". Siehe hierzu Zimmerling/Brehm (Fn. 1), Rz. 321.

27 Nach der Rechtsprechung des BVerwG sind Hinweise zur Auslegung des Begriffs Prüfungsunfähigkeit" in einem ministeriellen Erlass für Amtsärzte nicht zu beanstanden, vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.07.1995 - 6 B 34/95, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 352.

28 Im Ergebnis ebenso Kühne, JA 1999, 523 ff., 524.

29 Siehe z. B. BVerwG, Beschl. v. 17.11.1998 - 1 DB 14/98, juris; Beschl. v. 23.04.1991 - 1 D 73/89, juris; VGH Mannheim, Beschl. v. 28.04.1997 - D 17 S 25/96, juris; OVG Koblenz, Urt. v. 04.10.1989 - 2 A 30/89, DÖD 1990, 72; Urt. v. 15.09.2000 - 2 A 10559/00, DÖD 2001, 101.

30 Siehe hierzu Battis, BBG, 2. Aufl. 1997, § 73 Rz. 3; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, BBG, § 73 Rz. 4, Juncker, Saarländisches Beamtenrecht, Stand: 2000, § 88 SBG Rz. 5; Lopacki, ZBR 1992, 193 ff..

31 Eine Weisung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, ist dann gerechtfertigt, wenn sich die Zweifel des Dienstherrn an der Dienstunfähigkeit des Beamten auf konkrete Umstände stützen und nicht aus der Luft gegriffen" sind, vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.09.1988 - 2 B 132.88, Buchholz 237.1 Art. 56 BayLBG Nr. 1; Beschl. v. 17.09.1997 - 2 B 106.97, juris.

32 So ausdrücklich Ziff. 8.8 der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Familie zu Gutachten und Zeugnissen der Gesundheitsämter und Personalangelegenheiten des öffentlichen Dienstes (VwV Gutachten und Zeugnisse) - AZ: 5400-01/1 vom 30.04.1998.

33 So ausdrücklich Stump, MedR 1993, 261.

34 Ausführlich hierzu Zimmerling/Brehm (Fn. 1), Rz. 72 ff..

35 Hierauf weist zutreffend Lopacki, ZBR 1992, 193 ff., 199 f. hin.

36 Siehe hierzu Rundschreiben Nr. 148/2000 v. 20.06.2000 der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen sowie Schreiben der Saarländischen Krankenhausgesellschaft vom 22.03.2001. Zu den Auskunftspflichten des Arztes gegenüber den Leistungsträgern siehe auch Kamps/Kiesecker, MedR 1997, 216 ff..

37 Siehe z. B. LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 11.09.1995 - L 5 EA - K 21/95 - (n. v.); hierzu Plagemann, Kassenarztrecht, 2. Aufl. 1997, Rz. 154.

38 Siehe hierzu Ulsenheimer, in: Laufs/Uhlenbruck, (Fn. 16) § 71 Rz. 1 ff.; Dalichau/Schiwy, (Fn. 23), § 275 Anm. I.

39 So zutreffend Kühne, JA 1999, 523 unter Bezugnahme auf Schönke/Schröder/Lackner, StGB, 25. Aufl., § 203 Rz. 7.

40 Siehe hierzu LG Hamburg, Beschl. v. 03.03.1992 - 617 Qs 7/92, NStZ 1993, 401 sowie LSG Berlin, Beschl. v. 08.02.1989 - L 9 Kr 64/88, HV-INFO 1989, 1526.

41 BSG, Urt. v. 19.11.1985 - 6 RKa 14/83, BSGE 59, 172 = NJW 1986, 1574 = MDR 1986, 221.

42 Schönke/Schröder/Lenckner, StGB, 26. Aufl. 2001, § 203 Rz. 27; Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl. 2001, § 203 Rz. 29.

43 Ebenso Niehues (Fn. 9), Rz. 162.

44 BVerwG, Beschl. v. 06.08.1996 - 6 B 17.96, NVwZ-RR 1997, 103 = DVBl. 1996, 1379 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 371.

45 VGH Mannheim, Beschl. v. 29.03.1982 - 9 S 129/82, VBlBW 1983, 42; Beschl. v. 20.05.1983 - 9 S 724/83, ESVGH 34, 78; RdJB 1984, 64. Siehe zur (mutmaßlichen) Einwilligung Schönke/Schröder/Lenckner (Fn. 42), Rz. 27; Tröndle/Fischer (Fn. 42), Rz. 28. Gegen diese Konstruktion Kühne, JA 1999, 523 ff., 525.

46 Kühne, JA 1999, 523.

47 Das Fehlverhalten des Amtsarztes wird im gerichtlichen Verfahren häufiger gerügt, siehe z. B. VG Saarlouis, Beschl. v. 24.09.1998 - 1 K 65/98 - (n. v.); Urt. v. 21.05.2001 - 1 K 7/99 - (n. v.).

48 BVerfG, Beschl. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209.83, BVerfGE 65, 1 = NJW 1984, 419 = DVBl. 1984, 385. Siehe hierzu auch die zivilgerichtliche Judikatur zur Veräußerung einer Arztpraxis mit Aushändigung von Patientenunterlagen ohne Einwilligung der Patienten; insoweit wirft der Vertrag wegen Verstoßes gegen die ärztliche Schweigepflicht gem. § 134 BGB i. V. m. § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB als nichtig angesehen, so z. B. OLG Köln, Urt. v. 19.01.1999 - 9 B 73/98, NZG 1999, 607 sowie BGH, Urt. v. 11.10.1995 - VIII ZR 25/94, NJW 1996, 773.